EBIDAT - Die Burgendatenbank

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Boetzelaer

Geschichte:

1256 ist ein Wessel van den Boetzelaer mit seinen Söhnen in den Schriftquellen (Westf. Urkundenbuch Bd. 3 Nr. 602) erwähnt. Die gleichnamige Burg wird indirekt in einer Urkunde von 1265 fassbar ("Actum et datum in Botslar"; abgedruckt in Tombe, Boetzelaer, S. 35.). 1316 wird das Haus bei einer Erbschaftsteilung direkt genannt (Tombe, Boetzelaer, S.52, Urkundentext in Beilage 1).
Im 13./14. Jh. gelang es den Herren van den Boetzelaer umfangreichen Besitz anzuhäufen, teils als freies Eigengut, teils als Lehen. Parallel hierzu wuchsen Macht und Ansehen dieser Adelsfamilie. Die Burg, ebenfalls ein allodialer Besitz, war für die unabhängige Stellung der Familie in symbolischer wie machtpolitischer Hinsicht von Bedeutung. Diese Machtbasis erlaubte es den Herren von Boetzelaer an diversen politischen Entscheidungen sowohl in der Grafschaft Kleve als auch im Erzbistum Köln mitzuwirken, ohne sich irgendwie dauerhaft an einen der Fürsten zu binden. Die unabhängige Stellung der Herren van den Boetzelaer mußte langfristig den Bemühungen der Grafen von Kleve im Ausbau ihrer Landesherrschaft zuwiderlaufen. Die Boetzelaers ließen sich nicht wie andere Adelige mehr oder weniger freiwillig im Sinne des sich formierenden Territorialstaates "domestizieren". Rutger III. van den Boetzelaer war sich dieser Situation bewusst und suchte im letzten Drittel des 14. Jh. verstärkt die Nähe zum Kölner Erzbischof. 1379 trug er ihm seine Burg zu Lehen und als Offenhaus auf. Rutger III. wurde zwangsläufig in die Fehden zwischen Kurköln und Kleve verwickelt. 1380 gelang es Mannen des Klever Grafen, ihn in der Stadt Köln gefangen zu nehmen. Als Köln und Kleve 1381 einen Friedensvertrag abschlossen, wurde Rutger III. auf Betreiben des Grafen von Kleve hiervon ausgenommen. 1385 mußte er der Stadt Köln und dem Klever Grafen Urfehde schwören. Im selben Jahr ist die Burg als klev. Lehen und Offenhaus belegt. 1395 wurde der klevische Rentmeister Adolf von Suytkamen ermordet. Der Anstiftung zur Tat bezichtigte man Rutger III. van den Boetzelaer, weshalb ihn der Graf von Kleve an der Schöffenbank zu Altkalkar anklagen ließ. Der Beschuldigte verschanzte sich daraufhin in seiner Burg, die er mit einem Geschütz verstärkte. 1396 belagerte der Klever Landdroste Adolf von Wylich Boetzelaer und nahm die Burg ein. Mit einem Schlag verlor Rutger III. seinen gesamten Besitz, seine hohe soziale Stellung und sein Ansehen. Er musste Urfehde schwören und durfte die Grafschaft Kleve, sowie die Städte Arnheim, Nimwegen, Geldern und Goch nie mehr betreten. Die konfiszierte Burg war für kurze Zeit Amtssitz des Drosten und somit im Status einer klevischen Landesburg, den sie jedoch rasch (1398) an die Burg Kervenheim verlor. Bald nach der Einnahme erhielt sein Sohn Wessel die Burg zu Appeldorn, als klevisches Lehen, zurück. Die Familie hat diese Niederlage und Demütigung nie verwunden, obwohl ihr 1417 das Amt des Erbschenken des Herzogtums Kleve verliehen wurde und sie weiterhin eine führende Position in der klevischen Ritterschaft einnahm. Im 15. Jh. spaltete die Familie sich in zwei Linien auf, wovon sich eine in den Niederlanden niederließ, wo heute noch Nachkommen von ihr leben.
Die Burg Boetzelaer gelangte nach dem Aussterben der klevischen Linie im 17. Jh. an die Freiherren von Wylich und im 18. Jh. an die Herren von Hertefeld. Anfang des 19. Jh. kam das Anwesen an die Familie Gülcher. Abbrüche im 19. Jh. reduzierten die Burg auf ihren heutigen Umfang. Schäden, die das Gebäude im 2. Weltkrieg erlitt, waren bald behoben, jedoch kümmerten sich die Eigentümer fortan nicht mehr um den Erhalt der Anlage, die daraufhin zur Ruine verfiel. Die Vorburg diente ab 1950 Wohnzwecken. 1978 kaufte der heutige Eigentümer, Maximilian Freiherr von Wendt die ruinierte Wasserburg und ließ die Vorburggebäude sukzessive sanieren. 1992 begannen die Arbeiten zum Wiederaufbau der Burgruine, die baubegleitend von Burgenforschern und Archäologen untersucht wurde. Die Instandsetzung wurde 2003 abgeschlossen. (J. Wroblewski)

Bauentwicklung:

Die Ursprünge der Burg reichen archäologisch gesehen nicht über das 13. Jahrhundert hinaus, wobei ein älterer Vorgänger nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Dieser Zeit gehört ein im Grundriss aufgedeckter quadratischer Wohnturm (Außenmaße ca. 8,4 x 8,4 m) an der Südecke der Hauptburginsel, aus Backstein mit Gusskern aus Mörtel und Rollkieseln, an. Ihm war südlich eine lang gestreckte Vorburginsel mit Zugang im Osten vorgelagert. Am Nordwestrand der Hauptburginsel konnten eine backsteinerne Umfassungsmauer und ein Brunnen ergraben werden, die chronologisch zum Wohnturm gehört haben müssen. Aussehen und Ausdehnung dieser ersten "Steinburg" sind im Detail unklar, jedoch war diese Anlage etwas großflächiger als heute. Um 1300 bezog man den Wohnturm in den Verlauf einer neuen, unregelmäßig angelegten , 1,8m dicken Ringmauer ein. Die neue Burganlage zeigte drei Rundtürme an den Außenecken, einen rechteckigen Wohnbau an der nordwestlichen Hofseite und ein Burgtor im Süden. Wohl zeitgleich erfolgte die Aufstockung des Wohnturms zu jenem schlanken Bergfried, wie er in Abbildungen des 17./18. (Jan de Beijer) Jahrhunderts überliefert ist. Neben der Ringmauer konnte durch Bauforschung und Ausgrabungen die unterschiedliche Beschaffenheit der Rundtürme herausgearbeitet werden. Nach diesen Ergebnissen ist die Behauptung, Boetzelaer sei kurz vor 1396 speziell für Artillerieverteidigung umgebaut worden und somit eine der ältesten Artilleriebefestigungen Deutschlands nicht länger haltbar. Der Baubefund zeigte deutlich, dass ein solcher Umbau nie erfolgte. Entgegen der bisherigen Annahme handelt es sich bei dieser gotischen Burg nicht um einen "Kastelltypus", vergleichbar dem Schloss Moyland, sondern um eine älteren Burgenbaugewohnheiten entsprechende, polygonale Anlage, wie sie eher für das 12./13. Jahrhundert (z. B. Linn, Hülchrath) typisch ist.
Noch im 14. Jahrhundert wurde der Wohnbau zu einem dreistöckigen Palasflügel erweitert, der nun die gesamte Nordwestseite des Burghofes einnahm. Über einen im Burghof niedergebrachten Grabungsschnitt konnten Zerstörungs- und Auffüllschichten beobachtet werden, die mit der überlieferten Belagerung der Burg 1396 in Zusammenhang stehen dürften. Mit der Wiederherstellung wurde der gesamte Innenhof der Hauptburg durch massive Aufschüttungen "eingemottet", wodurch das Erdgeschoss des Palas zum Keller wurde. Die alte Burgküche, nun im Keller, gab man auf und ersetzte sie durch eine neue Küche mit Kreuzgratgewölben im Erdgeschoss. Leben und Wohnen im Palastrakt finden u. a. ihren archäologischen Niederschlag in einem zum Altrheinarm liegenden Aborterker, der den Brunnen des 13. Jahrhunderts überbaute. Nichts weiter bekannt ist über den an Palas angesetzten Nordostflügel, der außerhalb der Untersuchungsbereiche lag und nach historischen Ansichten zu urteilen noch dem Spätmittelalter angehörte. In der Hofecke beider Flügel war ein Treppenturm eingestellt.
Um 1560 wurde die Burg im Geschmack der Renaissance modernisiert. Letztes Zeugnis hiervon ist ein schön gearbeiteter Kaminfries aus der Werkstatt des Arnt van Tricht. Im 17./18. Jahrhundert folgten weitere Überformungen im Stil des Barock: Das Haupthaus wurde zur Vorburg hin durch Abbruch der Ringmauer und des Burgtores geöffnet, an der Südwestseite entstand ein dritter Flügel und im Innenhof eine offene Galerie mit Mittelrisalit. Nach erneuten Abbruchtätigkeiten im 19. Jahrhundert (u. a. Bergfried, Osthälfte Palas) wurde das Gebäude im Verlauf des selben Jahrhundert zu einem klassizistischen schlossartigen Gebäude umgebaut.
Im Zuge von Rohr- und Leitungsverlegungen wurden in der Vorburg am Nordostrand, neben einem barocken Kieselpflaster, spätmittelalterliche Mauerreste angeschnitten, die zur gotischen Ringmauer und daran anlehnenden Gebäuden gehören. Letztere könnten mit den im Zuge einer Erbschaftsteilung 1316 erbauten wehrhaften Wohnhäusern in Zusammenhang stehen, die den jüngeren Brüdern des Burgherrn Rutger II. zugesprochen wurden. Nach Ausweis des Klev. Katasters von 1738 war die Vorburgbebauung ursprünglich doppelt so groß wie heute. Offenbar im 19. Jh. gab man die gesamte Südwesthälfte der Vorburginsel auf und beschränkte sich auf die Nordosthälfte. Gegen die Südosthälfte errichtete man einen neuen Querflügel.
Neben der erhaltenen Vorburg ist eine zweite Vorburg archivalisch für 1439 belegt. Diese könnte in der langgestreckten Vorburg von heute aufgegangen sein. Andererseits bietet sich nach dem Klev. Kataster ein rechteckiges Inselareal westlich der Hauptburg an, das heute noch in Geländemerkmalen sichtbar ist. Weitere grabenumwehrte, parkartige Areale sind im Nordenosten und Süden erhalten, vermutlich neuzeitlicher Zeitstellung. (J. Wroblewski)

Baubeschreibung:

Burg Boetzelaer setzt sich aus einer Haupt- und Vorburg zusammen. Der separierende Binnengraben wurde wohl im 19. Jh. zugeschüttet. Die Vorburg auf einem ausgedehnten, langrechteckigen Areal südöstlich der Hauptburginsel.
Von der Hauptburg nur noch der Nordwestflüge l (Palas) mit rundem Eckturm (hufeisenförmig) auf der Südwestecke erhalten. Nach Instandsetzungen 1992-2003/04 ist der über einer Kellerebene dreigeschossige Bau gelb verputzt. Zur Altrheinseite hin ein Erker mit Terrasse aus dem 18. Jh. Im Burghof die Außenwand des abgegangenen Südwestflügels als Ruinenkulisse. Am Übergang zum Nordwestflügel unter Verwendung von Glas und Stahl ein modernes Treppenhaus eingebaut. Die ehem. Renaissance/Barock-Galerie vor dem Nordwestflügel nur rudimentär erhalten (Rundbogen).
Unter dem Nordwestflügel ein nur noch teilerhaltener Gewölbekeller bei dem Rundturm mit der Burgküche des 14. Jh. (archäolog. Befund). Im Erdgeschoss ein Saal mit dreijochigem Kreuzgratgewölbe und einer intakten, sowie einer über Bauspuren nachvollziehbaren Kaminstelle (Burgküche 15. Jh.). Im darüberliegenden Stockwerk ein klassizistischer Saal mit Kamin (rekonstruiert). In einem Nachbarraum der rekonstruierte Renaissance-Kaminfries des Arnt van Tricht. Der Südwestturm besitzt im Sockel-/Kellergeschoss einen Brunnenzylinder (14. Jh.) der ursprünglich von zwei Ebenen aus zu bedienen war. Im 1. Obergeschoss ein sek. eingezogenes Kreuzrippengewölbe.
In der Vorburg auf hufeisenförmigem Grundriss die ehem. Ökonomiegebäude im neuzeitlichen Gepräge, jedoch ältere Substanz sicherlich integrierend. Der Südwestflügel ist nach Ausweis von Katasterkarten des 18./19. Jh. jünger. Er entstand mit der Verkleinerung der Vorburgbebauung wohl im 19. Jh.
Südlich der Vorburg bzw. nordöstlich von Haupt- u. Vorburg zwei große, grabenumwehrte Inseln, wahrscheinlich neuzeitlichen Ursprungs (Garten-/Parkanlage?). (J. Wroblewski)

Arch-Untersuchung/Funde:

s. Bauentwicklung